Kapitel 1: Uncertainties – Walking on Unstable Grounds

April 7 – May 1, 2021

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Nine Budde

Self-Portrait in 12 Pieces

2019 
12 Gelatinesilberabzüge und C-Prints, je 24 x 24 cm 
Mit freundlicher Genehmigung der Künstlerin 

Die Fotoserie zeigt unterschiedliche Anordnungen von Materialien, Handlungen sowie Teilen eines weiblichen Körpers. Die zwölf verschiedenen Bilder bilden eine Art neuen Körper, der die unterschiedlichen Aspekte und Atmosphären der jeweils gezeigten Bilder in sich trägt. Auf diese Weise wird versucht, den weiblichen Körper um verschiedene Bereiche und Atmosphären zu erweitern und somit neue Kontexte und Perspektiven für und auf ihn zu schaffen.

Die Geschichte des weiblichen Körpers ist von Gewalt geprägt. Auch nach über fünfzig Jahren aktiver Frauenbewegung sterben in Deutschland immer noch jedes Jahr weit über 100 Frauen an häuslicher Gewalt – ermordet von Menschen, mit denen sie ihr Leben teilten.

Gewalt fordert Schutz. Wir sehen in der Fotoserie „Self-Portrait in 12 Pieces“ einen Frauenkörper von der Seite, der nicht nur eine schützende Lederschicht trägt, sondern auch von einer orthopädischen Stützbandage zusätzlich gehalten wird. Weiter sieht man zwei Fotografien, die einen leblosen Körper zeigen, der von einer Hand am Gesäß berührt wird. Auch dieser leblose Körper von hinten trägt Leder, das ihn allerdings nicht schützen konnte, denn dieser Körper erinnert an Sandra, eine junge Frau, die 1992 beim Trampen vergewaltigt und ermordet worden ist. Sandra war eine Freundin der Künstlerin und ist bis heute für sie direktester Erinnerungskörper an diese höchste Form der physischen und psychischen Gewaltanwendung am weiblichen Körper. 

Beton - außen hart und abweisend wie rohe Gewalt. Dahinter Schutzzone.

Wir sehen ein Betonloch. Hätten wir Betonlöcher, könnte uns niemand mehr vergewaltigen.

Weiter sehen wir ein in unterschiedlichen Abständen fotografiertes Stativ, über das ein Jacket von Fendi hängt. Es wirkt wie eine statische Attrappe, wie Frauen als Attrappe, eine entseelte Oberfläche ohne Inhalt, bei der nur die Form zählt.

Die Geschichte des weiblichen Körpers ist eine Geschichte von physischer und psychischer Gewalt. Die Arbeit schreckt nicht zurück, in eine Haltung dazu zu gehen. Eine Haltung, die hier zudem erotisch erzählt wird in ihren klassischen Erscheinungsformen wie schwarzes Leder, Absatzschuhe, Fendi Jacket und Netzstrumpfhose. Diese Erotik ist seelenvoll mit sich selbst gemeint, sich selbst stärkend und sich der Angst vor der Geschichte der Frau als Frau entgegenstellend: physisch und psychisch, seitlich, frontal, aufrecht stehend und gesichert, mal in Leder- und Orthopädiekorsage, mal als Stativ oder Beton.

  • Self-Portrait in 12 Pieces, 2019, 12 gelatin silver prints and C-prints, each 24 × 24 cm. Courtesy of the artist.
  • Self-Portrait in 12 Pieces, 2019, 12 gelatin silver prints and C-prints, each 24 × 24 cm. Courtesy of the artist.
  • Self-Portrait in 12 Pieces, 2019, 12 gelatin silver prints and C-prints, each 24 × 24 cm. Courtesy of the artist.